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Kirchentüren beschmiert

"Was soll das?"

Kirchentür St. Josef am 25.11.2021
Kirchentür St. Josef am 25.11.2021

Eine Erklärung finden Sie in den Pfarrnachrichten Dezember 2021/Januar 2022, Seiten 2 und 3:

"216.000
und 330.000

Liebe Leserinnen und Leser,
seit Anfang Oktober prangen diese Zahlen an der Kirchentür von St. Januarius. Eine unbekannte Person hat sie großflächig in metallgrauer Graffiti-Farbe aufgesprüht und das wohl mit Bedacht. Die Zahlen entsprechen exakt den Angaben eines Untersuchungsberichts über das Ausmaß sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche Frankreichs. Demnach sei von geschätzt 216.000 Menschen auszugehen, die Opfer einer solchen, durch Geistliche und andere kirchliche Mitarbeiter verübten Straftat, geworden sind. Die Zahl liege sogar bei bis zu 330.000 Opfern, werden die Handlungen hinzugerechnet, die im Umfeld der Kirche geschehen sind. Zum Beispiel von Tätern in katholischen Einrichtungen oder Jugendorganisationen.

Diese Zahlen sind wie ein weiterer Stein zu einem Schreckensmosaik, das uns als katholische Kirche in Deutschland seit über elf Jahren vor Augen steht. Die so genannte MHG-Studie (2018) hat für die Bistümer im Bereich unseres Bundesgebietes 3677 Fälle ermittelt, in denen minderjährige Menschen Opfer sexuellen Missbrauchs geworden sind. Die Dunkelziffer dürfte noch deutlich höher ausfallen.

Es beschämt uns
Wenn wir bedenken, dass hinter jeder dieser Zahlen ein persönliches Schicksal steht und widerfahrenes Leid, dann macht das kleinlaut und es beschämt uns. Zugleich bilden diese Umstände einen klaren Apell zur Umsicht und nicht zuletzt zur Wachsamkeit.

Seid wachsam!
Der Advent als stille Zeit innerer Erneuerung birgt den geistlichen Impuls zu eben dieser Wachsamkeit. Dafür stehen die Schrifttexte in den Gottesdiensten: „Wachet und betet allezeit“ spricht Jesus bereits im Evangelium zum ersten Adventssonntag (Lukas 21,36). Dafür stehen adventliche Gestalten wie Johannes der Täufer. Als Rufer in der Wüste mahnt er die Menschen zur Umkehr und bereitet sie auf die Ankunft des Messias vor.

Graffiti-Aktion
Vor diesem biblischen Hintergrund begleitet uns diesjährig in den Gemeinden außer dem Adventskranz ein weiters Zeichen auf dem Weg nach Weihnachten. Wundern Sie sich nicht, wenn Ihre vertraute Kirchentür Sie in den kommenden Wochen irritiert. Wenn sich nämlich darauf oder davor - der anonymen Graffiti-Aktion in St. Januarius folgend - die mit Sprühkreide aufgetragenen Zahlen 216.000 und 330.000, ergänzt um die Aufforderung „Seid wachsam!“ befinden.

Zeugnis des Himmels
Damit einher geht die Einladung zum Gebet für die betroffenen Menschen - im Bewusstsein, das jedes Leben einmalig ist und wiederum zerbrechlich in seiner Einmaligkeit. Denn letztlich ist es sogar die Botschaft von Weihnachten, die uns genau dazu ermahnt wie motiviert: Während die Welt um sie herum in Schlaf versunken ist, verkündet den wachsamen Hirten ein Engel: „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren.“ (Lukas 2,11) Gott wird Mensch. Nicht wie ein Superheld, sondern wehrlos und schutzbedürftig als kleines Kind in der Krippe. Einen größeren Ausdruck für die Würde des Menschen kann es auf Erden nicht geben, als wenn der Himmel selbst sie bezeugt. Und eben darum ist und bleibt diese Würde unantastbar (vgl. Grundgesetz)."

Siehe auch o. g. Pfarrnachrichten Seite 15.

(Berretz)