Gesetzesänderung macht auch alle Pfarreien und das Bistum künftig umsatzsteuerpflichtig. Umstellung zugunsten des Fiskus erzeugt im Ruhrbistum Kosten in mindestens sechsstelliger Höhe. Dienstleistungsverbund der Kirchengemeinden sorgt zusammen mit professionellen Steuerberatern für bestmögliche Unterstützung.
Gesetzesänderung gilt ab 1.1.2021
Höhere Preise für die Pfarrfest-Bratwurst, aufwändige Umstellungen in den Pfarreien und bistumsweite Mehr-Ausgaben in sechsstelliger Höhe bedeutet eine Umstellung bei der Mehrwert- beziehungsweise Umsatzsteuer, die Ende dieses Jahres bundesweit wirksam wird.
„Grund dafür ist das EU-Recht“, erläutert Björn Philipps, Steuerreferent im Bistum Essen. Gab es bislang für Körperschaften des öffentlichen Rechts wie Städte, Länder, Universitäten und eben die Kirchen relativ großzügige Ausnahmen, so werden die Verkäufe dieser Einrichtungen ab dem 1. Januar 2021 ähnlich besteuert wie bei gewöhnlichen Unternehmen. Nach dem juristischen Gleichheitssatz fordere die EU „gleiches Tun gleich zu behandeln“, so Philipps. Die Frage der Bratwurst-Besteuerung soll also nicht davon abhängen, ob sie in einem Imbiss oder beim Pfarrfest verkauft wird. Diese Idee ist nicht neu, nur habe die Bundesregierung – vielleicht auch mit Blick auf die vielen staatlichen Körperschaften – die Umsetzung dieses Rechts so lange wie möglich hinausgezögert, erläutert Philipps.
Pfarreien können Vorsteuer abziehen, doch das hilft nur bedingt
Doch angesichts eines möglicherweise drohenden EU-Vertragsverletzungsverfahrens ist damit nun Ende dieses Jahres Schluss: Egal ob beim Tannenbaumverkauf der Messdiener, dem Kaffee beim Seniorentreff oder den Anzeigen im Pfarreimagazin – wurden diese Produkte bislang steuerfrei abgerechnet, muss die Pfarrei auf den Verkaufspreis künftig 19 – oder im ermäßigten Fall sieben – Prozent aufschlagen und diese Steuer dann ans Finanzamt weiterleiten. Dass die Pfarrei ihrerseits die für die eingekauften Tannenbäume, Kaffeebohnen oder den Druck des Pfarreimagazins gezahlte Mehrwertsteuer vom Finanzamt zurückbekommt, hilft nur bedingt: Da auch bei dieser Steuer der Staat der Gewinner ist, müssen Pfarreien die Preise erhöhen, wenn sie die gleichen Erträge erzielen möchten wie bisher. Halten sie ihre Verkaufspreise konstant, dürften die Erträge im Vergleich zum Vorjahr sinken.
Viel Arbeit für Kirchenvorstände und Verwaltungsleiter
Doch das ist nur die eine Sicht auf das Thema, das den Kirchenvorständen und Verwaltungsleitern in den Pfarreien und den Fachleuten in der Bistumsverwaltung viel Arbeit beschert – auch wenn „die Kirchen bei der Umsetzung dieser Änderungen insgesamt deutlich weiter sind als viele andere öffentliche Körperschaften“, so Philipps. So hat das Bistum allein 300.000 Euro bereitgestellt, damit eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in allen 42 Pfarreien zwischen Duisburg und dem märkischen Sauerland sowie in allen Bereichen auf Bistumsebene eine Steueranalyse erstellt. „Außerdem finanzieren wir den Pfarreien künftig den Steuerberater“, sagt Philipps. Rund 100.000 Euro jährlich kalkuliert das Bistum ab 2021 für diese Aufgabe. Während Steuerfachmann Philipps die inhaltliche Aufbereitung des Themas im Blick hat ist der Dienstleistungsverbund der Kirchengemeinden der erste Ansprechpartner, der die Pfarreien bei diesem Thema unterstützt.
Vorbereitungen für die Umstellung laufen auf Hochtouren
Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren: Aktuell haben alle Verwaltungsleiter in den Pfarreien die Aufgabe, anhand von Fragebögen alle Kassen mit ihren Einnahmen aufzuspüren. „Das ist deutlich komplexer als man vermutet“, sagt Phillips und verweist auf Pfarreien „mit mehr als 100 Bankkonten“ und zahlreichen weiteren Kassen mit Bargeldbeständen, deren Bestandsveränderungen bislang nur einmal jährlich verbucht würden. Künftig müssten Pfarreien ihre Umsätze monatlich ans Finanzamt melden – und dann auch Umsatzsteuer entrichten. Wie dies in den Pfarreien möglichst einfach – gerade mit Blick auf Ehrenamtliche – und trotzdem korrekt geschehen kann, werde derzeit entwickelt. Dabei sei mangelnde Steuerehrlichkeit nicht nur moralisch zu verurteilen, sondern habe im Zweifel auch unmittelbare Konsequenzen für die ehrenamtlichen Kirchenvorstände einer Pfarrei, erläutert Phillips, „sie haften auch für Steuervergehen in der Kirchengemeinde“.
Drei Lichtblicke für die Pfarreien
Drei Lichtblicke kann Philipps den Pfarreien in Sachen Umsatzsteuer dennoch mit auf den Weg geben:
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Entscheidend ist, wer etwas verkauft: Ist es eine Gruppe, die direkt zur Pfarrei gehört, zum Beispiel die Messdiener, muss der Umsatz versteuert werden. Läuft der Verkauf über einen Verband (KAB, KfD, Kolping …) oder einen Förderverein, ist die Pfarrei nicht steuerpflichtig – und der Verein bestenfalls gemeinnützig.
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Viele Produkte und Dienstleistungen sind steuerfrei, zum Beispiel Vermietungen von Räumen oder die Gebühren der Bücherei.
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Hoheitliche Aufgaben sind steuerfrei – dies gilt zum Beispiel für Gebühren für besondere Messen, Trauungen, Beerdigungen oder Wallfahrten.
So sehen die nächsten Schritte für die Pfarreien aus:
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Aktuell werten Steuerberater in gemeinsamen Terminen mit den Verwaltungsleitern der Pfarreien und dem Dienstleistungsverbund der Kirchengemeinden die Fragebögen aus.
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März: die Steuerberater präsentieren den Kirchenvorständen der Pfarreien die Analyseergebnisse.
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Im Laufe des Jahres 2020: Erarbeitung von Standardprozessen (zum Beispiel zum Verbuchen bestimmter Einnahmen) und Handlungsempfehlungen für spezielle Problemfelder.
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Bis Ende 2020: Inkraftsetzung eines „Tax Compliance Management Systems“ (Regeln zur Stärkung der Steuerehrlichkeit) für das gesamte Bistum Essen.
Thomas Rünker (Bistum Essen)/ Fallbrügge